Aus der
Festschrift anläßlich der Weihe der Domorgel zu St. Pölten, 1973
Verfaßt von Hochw. Msgn Prälat Dr. Walter Graf
Seite 14
2. Höhepunkt klassischer Musikpflege – Paul Resch
Paul Resch erblickte am 25. Oktober 1786 in dem östlich von Krems
gelegenen Engabrunn als Sohn des Schuhmachermeisters Ferdinand Resch und
der Maria Anna, geborene Fußlin, das Licht der Welt. Er wendet sich
dem Schuldienst zu, wird Schulgehilfe in Traismauer, bewirbt sich 1810
um das Amt eines Choralisten am St. Pöltner Dom. In jenem Jahre kamen
durch den Tod des Sängers Gottlieb Gegenbauer und des die Oberstimme
fistulierenden Bartholomäus Lischka gleich zwei Dienstposten zur Ausschreibung.
Diese verlangte von den Bewerbern eine "gute und ausgiebige Stimme" und
einige Übung im Chorgesang. Als Alterslimit waren 35 Jahre festgesetzt.
Neben Resch kam noch Ferdinand Butter in die engste Auswahl.
Durch 21 Jahre erwirbt sich nun Resch als guter Sänger, wertvoller
Kopist und ansehnlicher Komponist die Achtung und das Vertrauen seiner
Vorgesetzten. So tritt er schließlich die Nachfolge Hubners an. Der
Dienstvertrag vom 20. August 1831 bestätigt Resch in allen uns schon
von Hubner her bekannten Ämtern und regelt die sich daraus ergebenden
Verpflichtungen- In besonderer Weise werden die Sängerknaben der Obsorge
des neuen Regenschori übergeben: "Sie in, Kirchengesange gehörig
zu unterrichten und ihnen überhaupt eine in jeder Hinsicht wahrhaft
väterliche Behandlung, somit eine gute christliche Erziehung angedeihen
zu lassen."
Als fixe Bezüge erhält Resch aus den Renten des Religionsfonds
für den Dienst als Regenschori 50 Gulden, als Mesner 86 Gulden 55
Kreuzer (!). Als Äquivalent für größere Naturalbezüge
kommen 84 Gulden 20 Kreuzer zur Auszahlung, das Naturale beträgt 6
Metzen Weizen, 20 Metzen Korn, 3 Metzen Gerste, je 4 Klafter "harte und
weiche Scheiter". Für die Sängerknaben erhält er 617 Gulden
und 4 Klafter weiche Scheiter pro Jahr.
Mit dem Dienstantritt des energischen Regenschori wird am Domchor ein
neuer Wind spürbar. Als Choralist mit den Vorzügen und Schwächen
seiner Musikerkollegen vertraut, richtet er sich für seine neue Tätigkeit
ein gutes Konzept zurecht. Die von Resch verfertigten Aufnahmebedingungen
und Dienstverträge für Organist und Turnermeister zeigen die
neue, deutlichere Haltung und geben einen guten Einblick in die Musizierpraxis
am Dom.
Die Prüfungsordnung für die Bewerber des nach der Pensionierung
Maders 1839 freigewordenen Organistenposten ist folgenden Inhalts: "Zu
einem bischöflichen Einzuge ein Praeludium, Tempo maestoso, worauf
nach einleitendem halben Tonschlusse die Fuge mit einem einfachen oder
doppelten Subjecte nach selbstgewählten, aber nicht gebrochenem Thema
und selbstgewählter Tonart zu folgen hat und mittels eines ausgezeichneten
Orgelpunktes dem Schlusse zugeführt werden muß." Des weiteren
hatte jeder Bewerber über das Kaiserlied, das österliche Alleluja
und das Ite, missa est zu fugieren, den Part einer Orgelsolomesse zu spielen
und den Volksgesang "zweckmäßig und nach dem Verhältnis
der Menge der Gläubigen stärker oder schwächer zu begleiten".
Die zweifellos hohen Anforderungen lassen auf die Qualitäten der
Organisten schließen, sicher eine Folge des so verdienstvollen Wirkens
J. G. Albrechtsbergers in Niederösterreich.
Wie mächtig mag es geklungen haben, wenn der als Sieger aus diesem
Prüfungswettbewerb herausgegangene und mit 12. Jänner 1840 bestellte
Sankt Pöltner Musiklehrer Josef Egkhart beim Bischofseinzug "in pleno
organo einleitend maestoso präludirt und darauf schön fugirt"
hatte.
Erhöhte Anforderungen wurden auch an den neuen Turnermeister Johann
Badstieber gestellt. Badstieber, 1815 zu Deutschhaus in Mähren geboren,
hatte nach Absolvierung eines zweijährigen Studiums 1840 das städtische
Turneramt von Stephan Maierhofer gekauft. Am 24. März 1841 wurde er
auch kirchlich bestellte. Der Vertrag sieht laut der von Resch verfaßten
Instruktion vor, daß der Meister an jedem Sonn- und Feiertag die
lnstrumentalmusik "durch 5 der Musik kundigen, daher tauglichen Individuen"
zu besetzen habe. Dieselben haben eine halbe bis eine vierten Stunde vor
Aufführungsbeginn am Chor mit "reiner Stimmung" parat zu sein und
stehend zu musizieren, Violoncello und Pauken ausgenommen. In der Karwoche
waren die jeweiligen Responsorien der Matutin mit Oboe oder Klarinette,
Alt-, Tenor- und Baßposaune zu begleiten. Zu den Obliegenheiten des
Karsamstages zählte die Instrumentalbegleitung des "Christus factus
est" sowohl um 10 Uhr beim Kreuzaltar als auch am Ende der abendlichen
"Pumpermette". Beim Hochamt des Gründonnerstag traten zu der schon
bekannten Instrumentalbegleitung noch Violoncello und Violon hinzu. Bei
der österlichen Auferstehungsfeier waren hinwieder "ein Trompetenchor
nebst Horn, Posaune und Pauken nebst Intraden und Außzügen aus
D-Dur zu besorgen" sowie die Begleitung der Figuralmusik beim Te Deum,
Regina Caeli und Tantum ergo. "Am Ernte und Dankfest abends (sind) figurierte
musikalische Litaneien und Te Deum nebst Tantum ergo und Salve Regina mit
Intraden zu besorgen." Bei der Fronleichnamsprozession trat der "Chor von
Blechinstrumenten und Pauken" in gleicher Art wie bei der Auferstehung
in Aktion, "aber in D-Dur". Schließlich erwartete man an höheren
Festtagen nach der Messe um 1/2 11 Uhr von der "Höhe des Domturmes
beiderseitig solche lntraden und Aufzüge aus einer beliebigen Tonart
gemacht. Gut gewählte, einfache Aufzüge sind die besten".
Unter der Regentschaft Paul Reschs erfuhr das Musikarchiv eine bedeutende
Erweiterung seines Bestandes. Resch selbst stellte viele von ihm kopierte
Kirchenmusikwerke dem Domchor zur Verfügung, kirchenmusikbegeisterte
Gönner fanden sich mit namhaften Schenkungen ein: Bischof Frint, Bürgermeister
Mayerhofer, Dompropst Eyerl von Eyersberg, Frau von Ritarz, Landesadvokat
Marquard, der auch eine aus 1702 stammende Albanus-Geige schenkte, Konsistorialnotar
Greth, Apotheker Perthl, Domchoralist Benesch. Wie sehr sich diese Ausgaben
gelohnt haben, zeigen Aufführungsvermerke und interessante Notizen
an den Noteneinbänden. Sie künden von einer bemerkenswerten Musikpflege,
die im folgenden näher umrissen werden soll. Tragische Eingriffe in
das Notenarchiv zu Beginn des 2. Weltkrieges verhindern einen Vollständigkeitsanspruch
nachfolgender Bemerkungen.
Besonderer Pflege erfreuten sich die Messen der Wiener Klassiker:
Joseph Haydn: Große Orgelsolomesse (1766), Mariazeller
Messe, Nicolaimesse, Missa S. Bernardi de Offida (Heiligmesse), Missa in
tempore belli (Paukenrhesse), Missa in angustiis (Nelsonmesse), Theresienmesse,
Harmoniemesse;
W.A. Mozart: Missa solemnis in C (KV 337), Trinitatismesse (KV
167), Missa longa (KV 362), Krönungsmesse (KV 317), Missae breves
in F (KV 192), D (KV 194), B (KV 275), C (KV 258), C (KV 259), Requiem
(KV 626);
L.v. Beethoven: Messe in C-Dur, 1833 erstmalig erwähnt.
An Sonn- und Feiertagen wurden grundsätzlich nur Orchestermessen zur Aufführung gebracht. An den Festtagen erklangen vornehmlich die Messen Haydns; die Werke Mozarts sowie Haydns Nicolai-Messe, am häufigsten gesungen, standen am Programm der "gewöhnlichen" Sonntage. Mit besonderem Stolz weist Resch auf die Aufführung des Mozart-Requiems hin: "Dieses Requiem wurde seit dem Jahre 1836 unter meiner Leitung auf dem Chor der Domkirche viermal aufgeführt. Paul Resch, Regenschori."
An Komponisten des Spätbarocks beziehungsweise der Vorklassik sind vertreten: G. Bonno (1710 bis 1788), Fr. X. Brixi (1732-1771), A. Caldara (1670 bis 1736), J. E. Eberlin (1702-1762), J. J. Fux (1660 bis 1741), F. L. Gassmann (1729-1774), J. A. Hasse (1699-1783), I. Holzbauer (1711-1783), N. Jomelli (1714-1774), G. Reutterer d. J. (1708-1772), G. Chr. Wagenseil (1715-1777).
Gern gesungen wurden die Werke der heimischen niederösterreichischen Komponisten: J. G. Albrechtsberger (1736-1809, Melk, Maria Taferl), G. Donberger (1709-1768, Herzogenburg), R. Kimerling (1737 -1799, Melk), J. Krottendorfer (1741-1768, Herzogenburg), F. Schneider (1737-1812, Melk), J. Cr. Zechner (1716-1778, Göttweig, Krems). J. A. Scheibl ist mit auffallend wenigen Werken vertreten, sein Nachlaß dürfte nicht in St. Pölten verblieben sein.
Von den Zeitgenossen der Klassiker ist besonders Michael Haydn (1737-1806) hervorzuheben, dessen Oeuvre vor allem wegen der das liturgische Verständnis fördernden Propriumsätze (Offertorien und Graduatien) am umfangreichsten ist. Weiters finden wir K. Ditters von Dittersdorf (1739-1799), L. Hoffmann (1730-1793), J. G. Naumann (1741-1801), A. Salieri (1750-1826).
Franz Schubert findet sich mit keiner einzigen Meßkomposition, hingegen erfreut sich J. Eybler (1756-1846), wiederum der Proprien halber, größter Beliebtheit.
An weiteren bekannten Meistern seien angeführt: A.Diabelli (1781-1851), M. L. Cherubini (1760-1842), J. B.Gänsbacher (1778-1844), J. N. Hummel (1778-1837), der aus Droß bei Krems gebürtige F. Krenn (1816-1897), K. Kreuzer (1780-1849), der Marbacher J. Preindl (1756-1823,) J. B. Schiedermayer (1779-1840), S. Sechter (1788-1867), Bruckners Lehrer, I. Seyfried (1776-1841), der in Maria Taferl tätige J.Spoth (1774-1851), Abbe M. Stadler (1748-1833), aus Melk gebürtig, J. B. Vanhal (1739-1813), J. Weigel (1766-1846), A. Wranitzky (1761-1820). Dazu kommt eine große Zahl heute unbekannter Kirchenkomponisten.
Abschließend sei auf das kompositorische Werk des Paul Resch verwiesen. Sind auch manche Schöpfungen aus einem praktischen Bedürfnis entstanden, also Gebrauchsmusik im besten Sinn des Wortes, so überschreiten einige großangelegte Kompositionen bei weitem den Rahmen liturgischer Gebrauchsmusik.
Nationalbibliothek Wien, Musiksammlung:
Fastenmesse 1 (1832), Hymnus Jesu redemptor (1846), Messe für
den hl. Gründonnerstag, 1. Lamentatio für den Gründonnerstag,
2. Lamentatio (1830), 3. Lamentatio (1827) in B, 3. Lamentatio für
den Karsamstag;
Diözesanarchiv St. Pölten:
Offertorien: Ecce nunc benedicite, In te Dom-ine, Jubilate Deo, Asperges
in B, A, H, Tantum ergo in D, Alma redemptoris mater, Te Deum in D, Regina
caeli, Große Messe in B, Lamentatio III.
Auf den Notendeckeln befinden sich die Namen von Musikern, wahrscheinlich Instrumentalisten, die sich aus den Leuten des Turnermeisters, Mitgliedern der Regimentskapelle sowie Musikliebhabern zusammensetzten:
Aschenbrenner, Bauer, Bartl, Berger, Carrara, Czechitzky, Fohringer, Freysinger, Gartner, Greysinger, Gruber, Hainzl, Hitzger, Hofmann, Hötzl, Klener, Knappek, Kober, Koller, Lechner, Meier, Moritz, Passecker (1842), Plaichinger, Poppenberger, Rockenbauer, Scholler, Schwarz, Schwarzbauer, Stigileithner, Stingl, Wand l (61), Weintritt, Wenusch.
Die Domorgel befand sich, von kleinen Reparaturen in den Jahren 1786, 1804, 1831 und 1845 abgesehen, in gutem Zustand. Einige Sorge bereitete allerdings ihre zu tiefe Stimmung, die einem Gutachten des Choralisten Benesch zufolge gegenüber der Wiener Stephansdomorgel um einen Halbton, im Vergleich zur hiesigen Regimentskapelle um einen Viertelton zu tief lag. Benesch und der Turnermeister, dessen Instrumente angeblich darunter litten, schlugen eine Übereinstimmung mit der Regimentskapelle vor. Am Ende stimmte jedoch der seit 1813 in St. Pölten ansässige Orgelbaumeister Joseph Gatto d. J., ein Mitglied der bekannten Kremser Orgelbauerfamilie und mit Resch bisweilen in heftige Auseinandersetzungen verwickelt, nur das Positiv höher". 60 Jahre später wird die tiefe Stimmung der Orgel zugkräftigster Vorwand für den Abbau des technisch noch immer gut funktionierenden Werkes sein.
Am 30. Juni 1849 verlor der St. Pöltner Dom einen seiner besten Kapellmeister. Ein am 2. September desselben Jahres aufgenommenes Inventar möge auf dem instrumentalen Sektor das hinsichtlich des Notenarchivs Gesagte bestätigen:
16 Violinen, 3 Violen, 3 Violoncelli, 2 Violen, 2 Oboen (schlecht), 2 Hörner (schlecht), 2 Hörner, 4 Trompeten (Clarini), Alt-, Tenor-, Baßposaune. Ergänzend werden weiters angeführt: 2 Klarinetten, 1 Flöte, 1 Viola, 2 Fagotte, 1 Bassettl, 2 Paar Pauken.
Erwähnenswert sind erstmalige nähere Hinweise auf die Orgeln: "Ein Positiv mit 2 Ziehbälgen, welches an Wochentagen beim Choralamte und Nachmittag zur Vesper gebraucht wird (5 Register). Eine große Orgel mit 2 Claviaturen, 4 Bälgen zum Treten, 12 Registern und einem Zug, durch welchen das Positiv' zum Manual gekuppelt werden kann ... Beide Orgelwerke sind im Jahre 1739 (!) vom Orgelbauer Sonnenholz aus Salzburg (!) verfertigt worden." Doch gerade der letzte Satz, einziger bisher vorhandener schriftlicher Hinweis auf den Erbauer der Domorgel, muß wegen einiger Ungereimtheiten der Jahreszahl und Lokalisierung des Erbauers als nicht zutreffend gewertet werden. Sollte Egedacher als Erbauer des Werkes ausscheiden, dann müßte man schon eher den Orgelbauer Johann des Moyse ins Kalkül ziehen, den Propst Führer 1726 dem Zwettler Abt wärmstens empfiehlt, weil er in den Pfarren und im Kloster "Proben getan".